Dienstag, 3. Juni 2008

Privatautonomie heißt Formfreiheit - und wie ist das im öffentlichen Recht?

Die Kündigung einer Lehrerin war wegen mangelnder Signatur ungültig. Doch eigentlich spielt die Unterschrift im Recht keine große Rolle. Selbst beim Grundstückskauf oder bei der Heirat reichen mündliche Abmachungen.

Die Presse (Rechtspanorama) berichtet von folgendem Fall:

Frau M. – sie arbeitete als Vertragsbedienstete an einer Grazer HTL – verweigerte eine amtsärztliche Untersuchung. Darauf wurden ihre Bezüge eingestellt. Die Frau konsultierte nun selbst eine Fachärztin. Diese empfahl in ihrem Gutachten, aufgrund der Therapieresistenz der Frau eine Pensionierung einzuleiten. Nun reagierte der Landesschulrat (mit der für eine Pensionierung nötigen) Kündigung. Das wollte die Frau aber nicht auf sich sitzen lassen. Unter anderem wandte sie ein, dass das Kündigungsschreiben weder Unterschrift noch Amtssignatur beinhaltete. Die Republik – vertreten durch die Finanzprokuratur – wehrte sich: Es sei üblich, dass die Republik insbesondere in der Hoheitsverwaltung auf eigenständige Unterschriften verzichte.

Doch im Vertragsbedienstetengesetz steht, dass ein zumindest ein Jahr lang dauerndes Dienstverhältnis nur schriftlich gekündigt werden kann. Und das „Gebot der Schriftlichkeit“ bedeute laut ABGB Unterschriftlichkeit, erläuterte der Oberste Gerichtshof in seinem Urteil (9 Ob A 14/08m). Das gelte, so der OGH, schließlich auch für die Kündigung von Lehrlingen, bei denen das Berufsausbildungsgesetz Schriftlichkeit vorschreibt. Die Höchstrichter entschieden daher für die Lehrerin: Die Kündigung war ungültig (allerdings hat der Landesschulrat dem Vernehmen nach inzwischen eine korrekte Kündigung nachgereicht).

Die OGH-Entscheidung sei richtig, meint Arbeitsrechtler Gert-Peter Reissner von der Uni Graz. Doch für das Arbeitsrecht der „Normalsterblichen“, die nicht dem Vertragsbedienstetengesetz unterliegen, lässt sich aus der Entscheidung nicht viel gewinnen: Dort „herrscht im Allgemeinen kein Schriftzwang“, erklärt Reissner. Das Gesetz schreibt keine Schriftform vor: Eine Kündigung oder arbeitsrechtliche Anweisung kann also auch mündlich erfolgen.

Sehr wohl ist es möglich, dass im Arbeitsvertrag oder in einem Kollektivvertrag die Schriftlichkeit für rechtliche Erklärungen vereinbart ist. Doch auch das sei nicht streng zu sehen, berichtet Experte Reissner. Trotzdem könne man konkludent vom schriftlich geschlossenen Arbeitsvertrag abgehen – indem sich die Arbeitspraxis einfach anders gestaltet als im schriftlichen Arbeitsvertrag vorgesehen.

Vorsicht bei der Bürgschaft

Ganz sinnlos sei eine derartige Klausel in Verträgen aber nicht, erklärt Zivilrechtler Andreas Kletecka von der Uni Salzburg. Im Zweifel werde dank der Klausel vermutet, dass eine Änderung nicht stattgefunden habe. Auch wenn Verträge im Zivilrecht sehr simpel geschlossen werden können, in einigen Fällen ist Unterschriftlichkeit doch zwingend vorgesehen: Etwa bei der Bürgschaft. Doch aufgepasst: Zahlt der „mündliche Bürge“, obwohl er es wegen der fehlenden Unterschrift gar nicht müsste, darf er das Geld nicht zurückfordern.

Nicht rückgängig machen kann man wegen fehlender Unterschrift auch eine Heirat, so Kletecka. Zwar sei die Unterschrift gesetzlich vorgesehen. Wird diese aber verabsäumt, ist die Ehe trotzdem gültig. Entscheidend ist das mündliche „Ja, ich will“.

Eine Mär ist die weitverbreitete Meinung, dass Grundstücke nur durch schriftlichen Vertrag veräußert werden können. Eine mündliche Abmachung reiche aus, sagt Kletecka. Allerdings: Um ins Grundbuch eingetragen zu werden, braucht man eine schriftliche notariell beglaubigte Urkunde. Weigert sich der Verkäufer jedoch nach einem mündlichen Vertrag, an der schriftlichen Urkunde mitzuwirken, kann er per Gerichtsurteil dazu gezwungen werden.

"Eure Mutter" als Unterschrift

Nicht immer muss übrigens eine Unterschrift aus dem Namen einer Person bestehen. So reiche es, wenn ein in Handschrift verfasstes Testament mit „Eure Mutter“ unterschrieben ist, erklärt Kletecka.

Eine große Rolle spielt die Unterschrift im Verwaltungsrecht: Zwar können Bescheide auch mündlich erlassen werden. Wenn der Bescheid aber schriftlich ergeht, muss er eine Unterschrift beinhalten. „Sonst ist er absolut nichtig“, sagt Gabriele Kucsko-Stadlmayer, Expertin an der Uni Wien. Kleine Ausnahme: Elektronisch erlassene Bescheide benötigen nur eine elektronische Amtssignatur.

Beamte kündigen oder entlassen kann man jedenfalls nur mit einer Unterschrift. Denn das ist ein hoheitlicher Akt.

Quelle: PHILIPP AICHINGER, "Die Presse", Print-Ausgabe, 03.06.2008

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