Für kontinentaleuropäische Juristenohren klingt es alles andere als vertraut, ja geradezu provokant, wenn jemand der Einführung von „Punitive Damages“ das Wort redet. Nichts anderes hat Andreas Kletecka, von der Wiener an die Salzburger Universität übersiedelter Zivilrechtler, in seiner Antrittsvorlesung am neuen Dienstort unter dem Titel „Punitive Damages – Der vergessene Reformpunkt?“ aber getan. Ein künftiges Schadenersatzrecht solle „den Präventionsgedanken wesentlich stärken“, sagte Kletecka vorige Woche in Salzburg. Dies könne durchaus auch durch Einführung eines Strafschadenersatzes geschehen.
„Punitive Damages“ sind ein Ersatz, der weit über den wirklich entstandenen Schaden hinausgeht und von US-Gerichten dann zugesprochen wird, wenn den Schädiger ein besonders schweres Verschulden trifft, er also vorsätzlich oder krass fahrlässig gehandelt hat. Kletecka schilderte einen der berühmtesten Fälle: die 1981 ergangene Entscheidung „Grimshaw versus Ford Motor Company“. Richard Grimshaw hatte als 13-Jähriger einen Autounfall schwer verletzt überlebt. Er hatte entstellende Verbrennungen erlitten, ausgelöst durch ein Feuer, das rückblickend betrachtet mit großer Wahrscheinlichkeit vermeidbar gewesen wäre: Techniker hatten bei der Entwicklung des Autotyps gewarnt, dass vom Tank ein großes Risiko ausgehe – ein Risiko, das durch eine minimale konstruktive Änderung hätte deutlich reduziert werden können. Aus Kostengründen lehnte das Management aber ab.
Neben eigentlichem Schadenersatz in Höhe von 2,5 Millionen Dollar erhielt Grimshaw wegen der Verwerflichkeit des Verhaltens und der Gewinnerzielungsabsicht von Ford in erster Instanz 125 Millionen Dollar an Punitive Damages zugesprochen. Der kalifornische Court of Appeals reduzierte den Strafschadenersatz auf 3,5 Millionen Dollar mit der Begründung, dass der konventionelle und der strafende Ersatz nicht außer Verhältnis sein dürften.
Ansätze im geltenden Recht
Kletecka ortet auch in unserem Rechtskreis eine lange zurückreichende Tradition eines „überkompensatorischen“ Ersatzes mit dem Ziel der Verhaltenssteuerung. Schon im Römischen Recht habe man von einem Dieb mit der Bußklage den doppelten Wert der gestohlenen Sache verlangen können. Im geltenden Recht sieht Kletecka den reinen Ausgleichsgedanken unter anderem dadurch relativiert, dass es – je nach Verschulden des Schädigers – einen abgestuften Schadensbegriff gibt (vgl. § 1331 ABGB). Darin, dass der verwerflicher (vorsätzlich oder grob fahrlässig) handelnde Schädiger mehr Ersatz leisten muss, äußert sich für Kletecka der Präventionszweck.
Das gewichtigste Argument für seine Forderung bezieht Kletecka aber aus der ökonomischen Analyse des Rechts: Da ein einmal eingetretener Schaden nicht mehr aus der Welt geschaffen, sondern nur verlagert werden könne, müsse einem an der Maximierung des Wohlstands interessierten Gesetzgeber daran gelegen sein, Schäden überhaupt zu vermeiden. „Schaden verhüten ist besser denn Schaden vergüten“, lautet denn auch ein Rechtssprichwort. Dazu sei es aber mitunter nötig, die drohende Ersatzpflicht größer zu bemessen als bloß mit dem angerichteten Schaden.
Als zu gering hat sich die Abschreckungswirkung des konventionellen Schadenersatzes in einer berühmt gewordenen Caroline-von-Monaco-Entscheidung des deutschen Bundesgerichtshofs erwiesen: Eine Illustrierte hatte ein herzzerreißendes Interview mit der Prinzessin gebracht, das nicht nur exklusiv war, sondern auch erfunden. Der BGH versechsfachte damals den zunächst zugesprochenen Schadenersatz auf 180.000 DM. „Zu Recht wurde diese Entscheidung als Einführung von Punitive Damages in Deutschland angesehen“, so Kletecka.
Fall Kampusch: Zynisches KalkülAnlässlich der medialen Indiskretionen um Entführungsopfer Natascha Kampusch kritisiert er im Gespräch mit der „Presse“ die fixen Höchstbeträge für Entschädigungen nach dem Mediengesetz: „Gerade Medien könnten das zynische Kalkül anstellen, ob der zu erwartende Gewinn größer ist als die drohende Entschädigung.“
Der Experte plädiert für eine Vervielfachung des Schadenersatzes für immaterielle Schäden bei vorsätzlicher oder bewusst fahrlässiger Schädigung in Gewinnerzielungsabsicht. „Ein solches Duplum oder Triplum könnte gerade in der Unternehmerhaftung vorgesehen werden, weil der Unternehmer der geborene homo oeconomicus ist.“
Quelle: "Die Presse", 22.04.2008
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