Mittwoch, 2. April 2008

Irrtum = falsche oder fehlende Vorstellung von der Wirklichkeit

Nicht jeder Irrtum im Geschäftsleben muss zwangsläufig fatale Folgen haben
Mitunter kann ein Vertrag wegen Irrtums angefochten und so korrigiert bzw. auch zur Gänze aufgehoben werden. Ein Beispiel aus der Praxis soll verdeutlichen, wann die Irrtumsanfechtung zum Erfolg führen kann.
Fall:
Ein Gastronomiebetrieb benötigt aufgrund eingeschränkter Platzsituation ein eigens anzufertigendes Kühlmöbel, im Zuge einer Besichtigung werden von einem Außendienstmitarbeiter des Lieferanten die erforderlichen Maße genommen. Diese finden dann Eingang in ein Angebot des Lieferanten, welches der Gastronomiebetrieb in dem Glauben, dass die Ausmessung des vorhandenen Platzangebotes richtig erfolgt sei, angenommen wird. Anlässlich der Lieferung des bestellten Kühlmöbels stellt sich heraus, dass dieses überdimensioniert und somit für den Gastronomiebetrieb nicht brauchbar ist, der Lieferant vertritt den Standpunkt, dass kein Mangel vorliege, da er vertragskonform - entsprechend der Bestellung -geleistet habe.
Rechtliche Beurteilung:
Da in obigem Beispiel tatsächlich keine Mangelhaftigkeit gegeben ist, wäre an sich der Gastronomiebetrieb verpflichtet, den Werklohn / Kaufpreis zu leisten, es sei denn, der Vertrag könnte eben wirksam wegen Irrtums angefochten werden. Bei der Prüfung, ob eine Irrtumsanfechtung zum Erfolg führen kann, ist zunächst zu prüfen, ob es sich um einen so genannten Geschäftsirrtum handelt, was nach der Textierung der Bestimmung des § 871 ABGB bedeutet, dass der Irrtum die Hauptsache oder eine wesentliche Beschaffenheit derselben (Vertragsgegenstand, Vertragspartner) betreffen muss.
Der so genannte Motivirrtum, dass heißt der Erklärende irrt über Rahmenbedingungen, ist bei entgeltlichen Geschäften jedenfalls unbeachtlich - sofern das Motiv nicht vertraglich zur Bedingung gemacht wird -, als letzter Ausweg könnte bei so genannten Kalkulationsirrtümern (der Unternehmer geht beispielsweise bei einer größeren Investition von steigenden Umsätzen in den Folgejahren aus) mit einem Wegfall der Geschäftsgrundlage argumentiert werden, was jedoch nur dann zum Erfolg führen kann, wenn die Erwartungen des Käufers / Werkbestellers durch Formulierung entsprechender Bedingungen Eingang in den Vertrag finden.
Sofern das Vorliegen eines Geschäftsirrtums bejaht wird, ist in weiterer Folge zu klären, ob einer der drei gesetzlich normierten Tatbestände, welche zu einer Irrtumsanfechtung berechtigen, vorliegt:
(1) In dem ausgeführten Beispiel wird der Vertrag wohl deshalb erfolgreich wegen Irrtums angefochten werden können, da der Irrtum durch den Lieferanten (falsche Maße des Kühlmöbels) veranlasst wurde, ein Verschulden des dem Lieferanten zurechenbaren Außendienstmitarbeiters ist nicht erforderlich.
(2) Weiters kann eine Irrtumsanfechtung darauf gegründet werden, dass dem Erklärungsempfänger der Irrtum hätte auffallen müssen, was beispielsweise dann der Fall sein könnte, wenn ein kleiner Lebensmittelhändler statt den üblichen 200 Stück Semmeln aufgrund eines Tippfehlers bei der Bestellung 2000 Stück Semmeln bestellt.
(3) Letztendlich ist eine Irrtumsanfechtung auch möglich, sofern der Irrtum noch rechtzeitig aufgeklärt wurde, was dann der Fall ist, wenn der Vertragspartner noch keine Dispositionen im Vertrauen auf das Geschäft vorgenommen hat.
Jedenfalls zu beachten gilt es auch, dass das Recht zur Irrtumsanfechtung in 3 Jahren ab Vertragsabschluss verjährt, darüber hinaus ist eine gerichtliche Geltendmachung des Irrtums erforderlich. Selbstverständlich kann diese unterbleiben, wenn außergerichtlich vereinbart wird, dass der Vertrag aufgehoben oder abgeändert wird.
Die in vielen Verträgen enthaltene Klausel, wonach die Anfechtung wegen Irrtums ausgeschlossen ist, ist grundsätzlich zulässig, einzig auf das Recht, die Aufhebung des Vertrages wegen Arglist zu begehren, kann vorweg nicht verzichtet werden. Bei Verbraucherverträgen kann die Irrtumsanfechtung zulasten des Verbrauchers nicht ausgeschlossen werden.
Mit der Irrtumsanfechtung bezweckt man entweder auf Aufhebung des Vertrages, oder aber eine Korrektur (Vertragsanpassung), sofern der vorliegende Geschäftsirrtum unwesentlich war. In diesem Fall ist der Vertrag sodann so zu gestalten, wie er ohne den Irrtum des Erklärenden zustande gekommen wäre. Im Falle einer Auflösung des Vertrages infolge Irrtums hat eine Rückabwicklung der bereits erbrachten Leistungen stattzufinden, eine Ausnahme besteht nur hinsichtlich Dauerschuldverhältnissen, sofern mit der Rückstellung der beiderseits erbrachten Leistungen erhebliche Schwierigkeiten verbunden sind.

Quelle: KSV (Mag. Bernhard Löw)

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